Die Bedeutung der Chronobiologie in Bezug auf das Arbeitszeitmodell

Was bedeutet Chronobiologie?

Als Chronobiologie bezeichnet man die Lehre vom zeitlichen Rhythmus biologischer Prozesse in Lebewesen. Die erste wissenschaftliche Publikation zu diesem Thema wurde bereits im Jahr 1729 veröffentlicht. Ein französischer Astronom beobachtete, dass seine Schreibtischpflanze ihre Blätter am Abend schon vor dem Eintreten der Dunkelheit zusammenklappte, also ohne einen entsprechenden Reiz von außen. Er führte daraufhin eine Reihe von Experimenten durch und konnte bei der Pflanze auch in völliger Dunkelheit einen circadianen Rhythmus des Ein- und Ausklappens der Blätter, also eine Art „innere Uhr“, beobachten. Knapp 250 Jahre später wurden die circadianen Rhythmen beim Menschen im Rahmen von „Bunkerexperimenten“ untersucht. Die Versuchspersonen lebten dafür über einen längeren Zeitraum in einem ehemaligen Bunker. Sie hatten keine Uhren und warenvollkommen unabhängig von äußeren Reizen wie beispielsweise Tageslicht oder Geräuschen. Dennoch entwickelte ein Großteil der Versuchspersonen freilaufende, zirkadiane Rhythmen (z. B. der Körpertemperatur und der Schlaf-Wach-Zeiten) von durchschnittlich 25 Stunden. Bei manchen Personen waren diese Rhythmen allerdings verkürzt (weniger als 22 Stunden) oder verlängert (mehr als 30 Stunden). Diese innere Uhr ist genetisch festgelegt und regelt unter anderem den Blutdruck, den Stoffwechsel und dieKörpertemperatur, die Ausschüttung wichtiger Hormone wie Melatonin sowie unseren Schlaf-Wach-Rhythmus.

Circadiane Fehlausrichtung und deren gesundheitliche Folgen

Zur Synchronisierung des inneren circadianen Rhythmus eines Organismus mit der Außenwelt sind externe Signale, wie beispielsweise dasTageslicht, erforderlich. Aufgrund von der Erfindung des elektrischen Lichts, stellt der natürliche Wechsel von Licht und Dunkelheit in der modernen Gesellschaft allerdings nun kein externes Signal mehr für den cirkadianen Rhythmus dar. Dadurch, dass sowohl Arbeitszeit als auch Freizeitaktivitäten nun nicht mehr nur tagsüber stattfinden, löste sich der traditionelle Wechsel vonSchlaf während der Nacht und Aktivität am Tag zunehmend auf. Diese Entkopplung von internen circadianen Rhythmen und sozial bestimmtem Verhalten wird als circadiane Fehlausrichtung bezeichnet. Für die circadiane Fehlausrichtung aufgrund von Schichtarbeit gibt es inzwischen viele Beweise, dass das Risikofür Schlafstörungen, Übergewicht und chronische Erkrankungen erhöht ist. Eine ebenso bedeutsame circadiane Fehlausrichtung ist der soziale Jetlag. Die Ursache für den sozialen Jetlag sind gesellschaftliche Verpflichtungen, die aber dem individuellen Chronotyp widersprechen.

Die Bedeutung von Chronotypen

In der Chronobiologie wird zwischen dem frühen und dem späten Chronotypen unterschieden. Umgangssprachlichen werden die Menschen als Lerchen oder Eulen bezeichnet. Der individuelle Chronorhythmus entscheidet maßgeblich darüber, wann man besonders produktiv, kreativ oder wach ist. Das kannbeispielsweise im Arbeitsalltag von großer Bedeutung sein: schwierige Aufgaben sollten z.B. in den individuellen Hochphasen erledigt werden, während der „lästige Kleinkram“ in den circadianen Tiefphasen abgearbeitet werden kann. Um die Produktivität der Beschäftigten zu steigern, kann es also sinnvoll sein die individuellen Chronotypen zu berücksichtigen und an dieser Stelle kommen flexible Arbeitszeitmodelle ins Spiel.

Die heutige Relevanz flexibler Arbeitszeitmodelle

Flexible Arbeitszeitmodelle können nicht nur in Hinblick auf die Produktivität, sondern auch auf die Gesundheit der Beschäftigtensinnvoll sein und somit auch einen Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen darstellen. Darüber hinaus passen starre Arbeitszeiten und typische 9-to-5-Jobs heutzutage nicht mehr in die Vorstellung vieler Arbeitnehmer, da sie mit dem Privatleben meist nur schlecht vereinbar sind. Im Gegensatz dazu ermöglichen verschiedene flexible Arbeitszeitmodelle es den Arbeitnehmern, ihren Alltag freier zu gestalten.

Gleitzeit-Regelung

Ein Beispiel für ein solches flexibles Arbeitszeitmodell ist die Gleitzeit. Im Rahmen der Gleitzeit legt der Arbeitgeber keine konkreten Zeitpunkte fest, wann der Arbeitstag für seine Beschäftigten beginnt bzw. endet. Die Beschäftigten können ihre Arbeitszeiten in gewissem Maße individuell bestimmen. Zur Gewährleistung eines reibungslosen Ablaufs im Unternehmen, werden allerdings Rahmen- und Kernarbeitszeiten vom Unternehmen festgelegt. Mit Hilfe der Rahmenarbeitszeit werden der früheste Zeitpunkt für den Arbeitsbeginn und der späteste Zeitpunkt für den Feierabend geregelt. Die Kernarbeitszeit bezeichnet den Zeitraum, zu dem eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht besteht. Dieses Arbeitszeitmodell gibt den frühen Chronotypen die Möglichkeit, ihre Effektivität am frühen Morgen auszunutzen und am Nachmittag Zeit für Freizeitaktivitäten zu haben, sodass diese nicht in den Abend fallen müssen. Späte Chronotypen müssen nicht zwangsweise früh aufstehen, um mit der Arbeit zu beginnen. Das kann nicht nur zu einer erhöhten Effektivität der Beschäftigten, sondern auch zu mehr Gesundheit beitragen, da der soziale Jetlag reduziert wird. Darüber hinaus führt ein stärkeres Mitgestaltungsrecht bei Beschäftigten häufig zu mehr Motivation und stärkerer Mitarbeiterzufriedenheit, was sich letztendlich auch wieder in der Qualität der Arbeit niederschlägt. Generell hat das Einführen einer Gleitzeit-Regelung fast nur Vorteile. Der einzige Nachteil könnte sein, dass es für das Unternehmen möglicherweise mehr Organisation verlangen könnte, wenn der Arbeitgeber gewährleisten muss, dass der Arbeitsplatz zu einer gewissen Zeit besetzt ist. für gewerbliche MitarbeiterInnen oder Beschäftigte in der Produktion ist eine Gleitzeit-Regelung oft nicht so einfach umsetzbar.

Arbeit im Home-Office

Ein weiteresArbeitszeitmodell, welches mit der Corona-Krise bei vielen Angestellten anBeliebtheit gewonnen hat, ist das Home-Office. Wie der Name schon sagt, erledigen die Arbeitnehmer im Rahmen dieses Modells einen Teil ihrer Arbeit von zu Hause aus. Wie viele Tage die Mitarbeiter in der Woche im Home-Office arbeiten können, kann jeder Arbeitgeber individuell entscheiden. Eine beispielhafte Regelung ist, dass die Arbeitnehmer an mindestens 3 Tagen in der Woche ins Büro in der Firma kommen müssen und aber 2 Tage zu Hause arbeiten können, wenn sie das wollen. Ob in diesem Rahmen andere Arbeitszeiten gelten können, ist dabei auch die individuelle Entscheidung jeden Arbeitgebers. Diese Entscheidung hängt häufig von der Art der zu erledigenden Aufgaben ab. Wie bereits bei der Gleizeit-Regelung erläutert ist dies oft nur für MitarbeiterInnen an Büroarbeitsplätzen unkompliziert umsetzbar. Im Dienstleistungssektor oder Einzelhandel beispielsweise ist eine Präsenz des Mitarbeitenden zwingend erforderlich.

Vorteile der Arbeit im Home-Office

Die Arbeit aus dem Home-Office bietet grundsätzlich erstmal viele Vorteile. Beispielsweise kann das Unternehmen auf diese Weise auch Beschäftigte aus anderen Städten oder sogar Bundesländern bzw. Ländern einstellen. Darüber hinaus arbeiten viele Arbeitnehmer zu Hause produktiver, da Störungen durch die Kollegen geringer sind – gerade, wenn sie in der Firma in einem Großraumbüro sitzen. Da Fahrtwege wegfallen, bietet die Arbeit im Home-Office zusätzlich finanzielle und zeitliche Vorteile. Auch für den Arbeitgeber bietet das Modell eine potenzielle Kostenersparnis. Auf der einen Seite muss ein Büro keinen Platz für Mitarbeiter bieten, die von zu Hause aus arbeiten. Auf der anderen Seite können auch Strom-und Wasserkosten für diese Mitarbeitenden eingespart werden. Darüber hinaus fördert das eigenverantwortliche Arbeiten im Home-Office das Vertrauen und die Zufriedenheit der Arbeitnehmer.

Nachteile der Arbeit im Home-Office

Allerdings bedeutet die Arbeit im Home-Office für den Arbeitgeber in gewisser Weise auch Kontrollverlust, da er weniger Möglichkeiten hat die Arbeit seiner Angestellten zu überprüfen. Die Arbeit im Home-Office, setzt ein Vertrauen in die selbstständige Arbeitsweise der Angestellten voraus. Neben der Selbstorganisation erfordert die Arbeit im Home-Office auch Selbstdisziplin: der Arbeitnehmer muss privaten Ablenkungen widerstehen können. Ein weiterer Nachteil ist die deutliche Reduzierung sozialer Kontakte. Viele zwischenmenschliche Beziehungen zwischen KollegInnen können nicht mehr in "alter Intensität" aufrecht erhalten werden und neue KollegInnen haben es etwas schwerer ins Team integriert zu werden. Zudem sind Arbeitgeber verpflichtet, die ergonomische Eignung der Home-Office-Arbeitsplätze und das Vorhandensein technischer Voraussetzungen sicherzustellen. Inzwischen haben sich viele Arbeitgeber auf Home-Office-Arbeitsplätze eingestellt und versuchen Ihre Mitarbeitenden hier entsprechend zu unterstützen.

 

New Work – der Wandel in unserer Arbeitswelt

Der Begriff NewWork zeichnet sich durch ein neues Verständnis von Arbeit zu Zeiten der Digitalisierung und Globalisierung aus. Arbeit wird nicht mehr wie früher nur als Mittel zum Zweck, sondern vielmehr als Mittel zur Selbstverwirklichung angesehen und soll eine sinnstiftende Funktion einnehmen. Die drei ursprünglichen Kernwerte von New Work bilden selbstbestimmtes Handeln, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft. Heute umfasst der Begriff New Work deutlich mehr und wird häufig als Synonym für innovative Arbeitsgestaltung verwendet, wobei flexible Arbeitszeitmodelle eine große Rolle spielen.

Generelle Veränderungen der Arbeitswelt durch New Work

Mit der Corona-Krise ist dezentrales Arbeiten deutlich in den Vordergrund gerückt. Räumliche Nähe ist heutzutage nicht mehr von oberster Bedeutung, wenn es darum geht, gemeinsam produktiv zu arbeiten. Inzwischen gibt es auch immer mehr Möglichkeiten Meetings in guter Qualität von der ganzen Welt aus durchzuführen, diese währenddessen ansprechend zu dokumentieren und Präsentationen zu zeigen. Ein beispielhaftes Konzept im Rahmen von New Work ist die Einrichtung sogenannter Work Spaces im Büro. Dabei gibt es keine festen Arbeitsplätze, sondern jeder Mitarbeiter kann seinen Arbeitsplatz täglich neu wählen. Auf diese Weise können der Informationsfluss und der Austausch untereinander gefördert werden. Die Einrichtung von Telefonboxen und Ruheräume ermöglicht ein konzentriertes Arbeiten und kreative Räumlichkeiten für Meetings schaffen Platz für Ideen. Die Arbeitnehmer können also sowohl zu Hause als auch im Büro ungestört arbeiten.

Ein weiterer zentraler Punkt von New Work ist das selbstständige Arbeiten. Klassische Hierarchien werden zunehmend abgeflacht und die Förderung der Eigeninitiative der Mitarbeiter gewinnt an Bedeutung. Führungskräfte nehmen vermehrt eine Rolle ein, in der sie eine Basis schaffen, auf der Mitarbeiter ihre Probleme selbst lösen können, anstatt strikte Anweisungen zu geben, die dann zu befolgen sind. Mitarbeitern wird somit zunehmend Verantwortung übertragen. Auf diesem Wege können sie sich selbst entfalten, eigenständige Entscheidungen treffen und somit zum Erfolg des Unternehmens beitragen. Allerdings sollte es trotzdem nicht vernachlässigt werden, dass es Menschen gibt, die mit einem gesteigerten Maß an Verantwortung nicht zurechtkommen oder die kein Interesse an mehr Verantwortung haben. In diesen Fällen müssen Führungskräften einen geeigneten Kompromiss finden.

Eine weitere Veränderung, die sowohl positiv als auch negativ bewertet werden kann, ist das Work-Life-Blending. Die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben wird heutzutage immer schwammiger, sodass es in gewisser Weise zu einem Verschmelzen kommt. Beispielsweise kann zwischen zwei Meetings die Waschmaschine eingestellt werden und zum Ausgleich dazu werden nach dem Abendessen nochmal die Mails gecheckt. Familie und Beruf lassen sich dadurch deutlich besser vereinbaren. Besonders berufstätige Eltern können die neue Arbeitswelt nutzen, um den Alltag mit Beruf und Kind besser unter einen Hut zu bekommen. Kritisiert wird allerdings häufig, dass die Vermischung nicht gleichmäßig stattfindet, sondern entweder zu Lasten der privaten oder der beruflichen Zeit fällt.

Zur Umsetzung von New Work in der Praxis sind in den meisten Unternehmen noch große Schritte der Anpassung erforderlich: Strukturen müssen verändert werden und das Konzept muss in der gesamten Organisation ankommen. Diese Kulturveränderung benötigt Zeit. Wir sind uns sicher, dass Chronobiologie auch im Kontext von New Work weiterhin ein wichtiges Stichwort bleiben wird.

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